Jürgen Nott, CEO von Infinigon, lebt und arbeitet seit 2005 in New York City und findet im Alltag von „Big Apple“ immer wieder überraschende Parallelen zur Makro-Ökonomie, über die er hier berichtet.
Good News für die FED — die NYC Happy Hour ist zurück …
Aber erst mal zu einer aktuellen Überschrift, die die Lage recht gut beschreibt:
Investoren, die sich seit den Zeiten von Bernanke auf die Hilfe der FED verlassen haben,
wurden mit den drastischen Zinserhöhungen enttäuscht. Die FED, jahrelang ein zuverlässiger
Freund der „buy the dip“-Community, wurde aktuell zum bekennenden Gegenspieler.
Da gilt dann die alte Weisheit „spekuliere niemals gegen die Notenbank“.
Auf der anderen Seite steht dem Ziel der Geldwertstabilität das Ziel der Vollbeschäftigung
gegenüber. Seit Monaten mehren sich die Anzeichen, dass viele Amerikaner, gemessen an
dem Ziel der FED, die Wirtschaft abzukühlen, immer noch über ihre Verhältnisse leben. Es
werden die letzten Reserven wie Home Equity oder auch der Verkauf von Assets wie Häusern,
Booten und Autos sowie die Yard Sales genutzt, um den bisherigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten.
Dies zeigt sich auch an den bereits rückläufigen Gebrauchtwagenpreisen (s. Abb. links).
Denkt die FED immer noch so?
Was vielleicht vor der Globalisierung noch galt, kann aktuell nicht der Maßstab von Geldpolitik sein. Es sei denn, die FED nutzt ganz gezielt die Schwächung anderer Märkte wie der EU,
um die gewünschte Abschwächung der eigenen Wirtschaft zu erreichen. Dies brächte den für die FED angenehmen Nebeneffekt mit sich, dass sie die Zinsen nicht mehr derart deutlich anheben muss und gegebenenfalls schneller wieder senken könnte, um ihrem Ziel der Vollbeschäftigung wieder stärker nachzukommen. Insbesondere wenn davon ausgegangen werden
kann, dass die Erholung weniger reagibler Wirtschaftsräume wie der EU sich länger hinziehen dürfte. Es wäre schließlich auch politisch nicht nachteilig, wenn man auf die Probleme anderer zeigen könnte.
Die New York City Happy Hour ist zurück!
… „good news“ für den Schwaben in mir, „bad news“ für die Wirtschaft, „good news“ für die
FED. Seit ich 2007 nach New York gekommen bin, stelle ich fest, dass der von mir persönlich
beobachtete „New York City Downtown Happy Hour Indikator“ sehr zuverlässig ist.
Ganz gleich ob Finanzkrise, Griechenland-Krise, China-Crash, Pandemie oder wie aktuell die
Fehde der FED gegen den Rest der Investoren, der „Happy Hour Indikator“ spiegelt die wirtschaftliche Lage. Je mehr Happy-Hour-Angebote, um die Gäste in die Bars zu locken, desto
schlechter geht es der Wirtschaft.
Aktuell gibt es allerdings einen Unterschied, denn dieses Mal läuft der Indikator der Wirtschaft
voraus. Mag das daran liegen, dass diese Happy Hour Bars überwiegend von Bankern besucht
werden, die vielleicht dieses Mal die Sehenden sind und bereits auf die Ausgabenbremse
treten …